Was vertragen wir?
Dieser Gedanke ist natürlich nicht neu, bereits Kurt Tucholsky bemerkte in einem Brief an Dr. Hedwig Müller (29. März 1934, Veröffentlicht in: "Briefe aus dem Schweigen", S. 97):
Eine Regierung ist nicht der Ausdruck des Volkswillens, sondern der Ausdruck dessen, was ein Volk erträgt.
Ich denke darin liegt sehr viel Wahrheit, allein schon die Faulheit des Menschen verursacht dass er nicht gegen etwas erträgliches ernsthafte Schritte unternehmen wird. Die perfekte Welt ist also ein Traum von dem wir stundenlang schwelgen könnten, doch kaum jemand wird ernsthaft aufstehen und wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen um diesem Ziel näher zu kommen.
Auf der anderen Seite wird ein Regierungsapparat immer die Grenzen abtasten wie weit er gehen kann. Bei einer Diktatur wird dies sicherlich schneller vorran schreiten als bei einer Demokratie, da hier zumindest der Schein gewahrt werden muss das Volk hätte ernsthaft etwas zu sagen, doch am Ergebnis ändert dies nichts.
Irgendwann wird die Regierung zu weit gehen und das Volk wird den Zustand als unerträglich wahrnehmen. Ab diesem Punkt wird beim leisesten Auslöser das System zusammenfallen und durch ein neues ersetzt. Häufig ist dieser Auslöser eine Person die die Zeichen der Zeit erkannt hat und das Volk zu steuern weiß... das führt dann auch gleich zur nächsten Diktatur.
Möglicherweise sollten wir die Qualität eines Systemes danach messen, wie sehr es in der Lage ist sich zu fangen wenn es eine offensichtliche Grenze erreicht hat und diese Grenze wieder zu unterschreiten. In unserem System wäre ein typisches Beispiel wohl wenn Politiker massive Wählerverluste befürchten und aufgrund dessen doch mal was für das Volk statt gegen es unternehmen.
Diese Qualität entscheidet wie lange ein System bestehen bleiben kann. Das ändert natürlich nichts daran dass kein System ewig besteht. Irgendwann wird immer jemand zu weit gehen...