Einsatz der Bundeswehr im Inland

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Eine weitere Bullshit-Forderung über die ich mich immer wieder aufregen könnte ist dass wir die Bundeswehr im Innland einsetzen sollen. Früher war das hauptsächlich bei humanitären Problemen (Hochwasser, Flüchtlinge) der Fall, heute wird das auch schon bei klassischen Polizei-Aufgaben, wie der Abwehr bewaffneter Einzelpersonen gefordert.

Wir haben ja “Krieg gegen den Terror!1”, in einem Krieg kann man schon mal die Armee einsetzen!

Und was sollte es auch für Nachteile haben? Ein Putsch durch das Militär klingt in Deutschland doch heute absurd und so…

Das ist natürlich ein Pseudoargument aller erster Güte. Frei nach “Weil X jetzt nicht gegeben ist, kann es nie gegeben sein und wir können anfangen unsere Maßnahmen gegen X abzubauen”

Und dann stellt sich natürlich die Frage:

Warum sollten wir?

Die Bundeswehr kann nichts was zivile Organisationen nicht auch könnten. Sie wird genauso vom Staat bezahlt, dieser kann zivilen Behörden die exakt selbe Ausrüstung kaufen und gerade was z.B. die Ausbildung betrifft, sind zivile Instanzen eigentlich immer besser und zielgerichteter ausgestattet um die Probleme im Inland zu lösen als eine Organisation die eben jenes nicht tun sollte.

Natürlich hat sie im Zweifelsfall schweres Gerät, wie Panzer, die man im Notfall gerne verwenden will um Menschenleben zu retten. Der wichtige Punkt war aber eben jener: IM NOTFALL.

Warum Notfall?

Im Notfall geht es halt um zeitkritische Probleme. Wenn wir in den nächsten 48h tausend Menschenleben retten müssen und dafür Material brauchen was der Bundeswehr-Stützpunkt in der Nähe vorrätig hat und Polizei/Katastrophenschutz/THW nicht, dann will man natürlich auf die Ressourcen des Militärs zurückgreifen.

Das ist aber zum Glück sehr selten der Fall. (Andernseits: wenn es Routine wäre, dann hätten die genannten Organisationen ja eben die passende Ausrüstung.)

Niemand bestreitet wirklich dass man für solche Fälle halt Ressourcen nutzen soll die da sind statt erstmal langwierig neue zu beschaffen.

Für jeden anderen Fall aber, ist es viel sinnvoller die passenden Ressourcen für die zivilen Organisationen anzuschaffen. Dann muss der Bergungspanzer auch nicht sinnlos überstarke Metallplatten für Granatenabwehr und explosive Munition mit Uranmantel mitschleppen und hat vlt. eine zusätzliche Seilwinde oder ein Schiebeschild, oder er ist einfach nicht in Tarnfarben lackiert und verursacht beim Transfer weniger Auffahrunfälle - Es ist so einfach Dinge zu verbessern wenn man sie für den wirklichen Einsatzzweck optimiert.

Übrigens hat sich auch noch niemals jemand aufgeregt wenn mal jemand das THW im Ausland einsetzen wollte und selbst die Polizei darf ab und zu mal raus. Warum sollte man auch?

Auch im Ausland sind die Leute halt für zivile Aufgaben besser ausgestattet als die Bundeswehr. (auch wenn z.B. der juristische Anteil der Polizei-Ausbildung dort evtl. relativ nutzlos oder gar negativ sein wird)

Und wenn wir doch mal eine Situation haben in der wir dringend ein ziviles Schlachtschiff benötigen, dann können wir nochmal darüber nachdenken ob es nicht günstiger wäre eins von der Bundeswehr mitzuverwenden. Das ist aber irgendwie nicht das Beispiel an dem sowas momentan aufgebaut wird.

Es geht nicht um Einschränkungen für das Militär, sondern um Einschränkungen für die Polizei

Die Polizei hat Sonderrechte. Sie ist unser Mittel der Wahl um die eigene Bevölkerung in die Schranken ihrer Rechte/Pflichten zu verweisen und um für Ordnung im Staat zu sorgen.

Man will eine Verknüpfung und Vermischung mit dem Militär schon aus genau demselben Grund nicht, aus dem man eine harte Abgrenzung zu Geheimdiensten oder Legislative will.

Das Missbrauchspotential bei Polizei-Aufgaben ist schlicht drastisch höher. Darum haben (oder sollten zumindest) unsere Polizisten eben mehr Ausbildung als nur die Bedienung ihrer Waffe, Taktiken und ihre Zentrale Dienstvorschrift. Sie müssen die Rechte der Person gegenüber wahren, sie müssen wissen welche Gesetze sie wie durchsetzen sollen und im Zweifelsfall müssen sie auch wissen welche Gesetzverstöße sie auch mal nicht-verfolgen sollten (z.B. aus Privatsphären-Gründen, weil juristisch mehr Aufwand als Nutzen entstünde oder schlicht weil eine Verfolgungsjagt mit Schusswaffenbenutzung durch die Innenstadt gewisse… “Nachteile”… mit sich bringen könnte)

Das Militär hat diese Ausbildung nicht. Dem Militär fehlen auch die Aufsichtsstrukturen um entsprechenden Missbrauch zu verhindern.

Auch darum gibt es weniger Beschwerden wenn das Militär z.B. THW-Aufgaben übernimmt. Das THW hat weniger Sonderrechte!

Was will man mit der Forderung wirklich erreichen?

Wenn wir also bei den RICHTIGEN Instanzen sowohl besser, billiger und sinnvoller die Dienste und Ausstattung bekommen die wir brauchen, warum fordert dann überhaupt irgendwer dass die Bundeswehr solche Aufgaben übernehmen soll?

Einerseits gibt es da natürlich das typische Argument: jeder will sich selbst gerne Zuständigkeiten und damit Finanzierung, Bedeutung und Einfluss sichern. Total überraschend also dass solche Forderungen gerne aus Richtung Verteidigungsminister oder von irgendeinem General kommen.

Und dann gibt es noch jenen Ruf nach gefühlter Sicherheit. Man sieht auf der Straße Polizisten mit Handfeuerwaffen… daraus schließt man dass es Gründe gibt für die diese Handfeuerwaffen im täglichen Einsatz brauchen und man überlegt ob größere Waffen nicht besser wären, weil es ja offensichtlich “da draußen” unsicher genug ist dass sowas nötig scheint.

In den letzten Jahren sieht man immer häufiger Polizisten mit Schusssicheren Westen und vollautomatischen Waffen, z.B. an Bahnhöfen oder generell in Ballungszentren. Da fühlt man sich natürlich gleich nochmal unsicherer! Es muss ja etwas geben für das eine Pistole offensichtlich nicht ausreicht!

In den USA ist man bei der Ausrüstung inzwischen dazu übergegangen die alten, abgelegten Fahrzeuge des Militärs an lokale Polizeistellen weiter zu verkaufen. Wenn man dann den Sheriff mit dem minensicheren Panzerwagen vorfahren sieht, muss man dann davon ausgehen dass es irgendwo Leute gibt die den Sheriff mit Minen angreifen! Sonst würde doch keiner die absurden Unterhaltskosten für sowas bezahlen!

Und was in den USA üblich ist, das sehen wir hier im Fernsehen. Schon deshalb ist das natürlich auch bei uns gefühlte Realität!

Und wenn es hier schon so unsicher ist, dann muss man natürlich fragen warum unsere Polizei noch per VW-Kombi ankommt, während die vortschrittlichen Amerikaner schon beim M1A1 sind? Da können wir doch nicht zurückstehen!

Zum Glück haben wir ja auch Panzer! Wird Zeit dass man die mal wieder auf deutschen Autobahnen rollen sieht!

DANN WERDEN WIR UNS ENDLICH SICHER FÜHLEN!

Was wenn doch mal was passiert?

Und dann ist da noch der Effekt, dass sich “Vorsicht” immer besser verkaufen lässt.

Der Exekutive irgendwelche Möglichkeiten zu nehmen und wenn sie noch so absurd oder unnötig sind, kann einem immer auf den Fuß fallen. Alle hundert Jahre wird es schon mal einen Fall geben in dem irgendwer behauptet “da hätte es geholfen, aber DU hast es verboten!”.

Und plötzlich steht man im Abseits und ist dauerhaft unten durch.

Hingegen selbst dazustehen, absurde Forderungen aufzustellen und Schwachsinn durchzusetzen, der sicher Geld verbrennt aber niemandem hilft, damit steht man schlimmstenfalls als übervorsichtig da oder der übernächste Nachfolger kann das per Sparmaßnahmen wieder wegkürzen. Wirklich schaden kann man damit nie… also sich selbst. Der Allgemeinheit natürlich schon.


  1. Für diesen haben “wir” schon weit über eine Million Menschen getötet. Eigentlich war das nur ein Schlagwort der vorletzten Regierung in den USA, aber wir wissen ja alle dass es keine Unterscheidung zwischen Nordamerika und Europa gibt. Und dann ist der Begriff auch viel griffiger und schöner als der Nachfolger “beharrliche Anstrengungen gegen Netzwerke von Extremisten” - auch wenn letzteres wenigstens inhaltlich sinnvoll wäre und nicht nur reiner Schwachsinn. ↩︎

Geschrieben von: DAT
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