Wahlvieh - die Bürgermeister-Edition

Tags: Dresden Politik Pseudoargumente Rant Säue durchs Dorf treiben -

Dresden hat mal wieder gewählt. Dieses mal ging es um den Oberbürgermeister. Hier meine Ansichten über die Kandidaten, das vorläufige Ergebnis und die Resultate.

TL/DR:

  • 15% Nazis (ja, es sind Nazis) sind definitiv 15% zu viel. Die Nazis haben ihre Botschaft vermittelt und ihre Ziele erreicht. Der Rufschaden den die Stadt (zu recht) durch die Duldung dieser Spinner und die Behandlung von "Ich hab' ja nichts gegen Ausländer, aber..." als legitime Meinung, davon getragen hat, wird wohl noch kaum zu ermessen sein.
  • der Kandidat der CDU war vorhersehbar so irrelevant wie er farblos war
  • ein zweiter Wahlgang wird folgen, bei dem die Entscheidung zwischen Hilbert (FDP) und Stange (Linke/Grüne/SPD/Piraten). Recht knapp werden könnte
  • Ich finde man sollte Stange wählen, schon weil Hilbert untragbar(er) ist
  • Die Wahlbeteiligung war leicht besser als erwartet (51%), aber das wird sich im zweiten Wahlgang definitiv ändern. Wenn man also gerne mehr Einfluss mit seiner Stimme haben will, wäre dies der ideale Zeitpunkt.

Wer stand zur Wahl?


  • eine fast erträgliche Kandidatin von Linke/Grüne/SPD/Piraten, die sogar versehentlich teilweise Inhalte plakatierte (zum Glück nur bei einem sehr geringen Bruchteil der Plakate), war bis jetzt ziemlich unauffällig als sächsische Ministerin für Wissenschaft und Kunst
  • ein Neocon-Lieberallalla FDP-Typ, der gewählt werden will, eben weil er schon so lange im Amt ist (Baubürgermeister), sich gut auskennt und gute Verbindungen hat (verspricht genau das zu erreichen was er schon vor 10 Jahren erreichen wollte und bisher nicht hat)
  • ein farbloser, ebenfalls inhaltsfreier CDU-Typ der eigentlich sächsischer Innenminister ist und dort auch nichts schafft
  • eine Transe von "Die Partei", der/die im Gegensatz zum Rest seiner/ihrer Partei nicht mal lustig ist
  • eine Nazispinnerin von PEGIDA
  • einen Nazispinner von der AfD

Wie läuft die Wahl ab?


Ein Punkt den ich in unseren Medien für völlig untererklärt halte, ist der Ablauf der Wahl. Die Landeszentrale für Politische Bildung fasst es folgendermaßen zusammen:
Die sächsischen Bürgermeister werden direkt gewählt. Die Amtszeit eines Bürgermeisters beträgt sieben Jahre. Es kann bei Bürgermeisterwahlen zwei Wahlgäng[e] geben. Im ersten Wahlgang entscheidet die absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Erreicht kein Kandidat diese Mehrheit, wird eine Neuwahl notwendig. Hierbei können alle Kandidaten, die beim ersten Wahlgang bereits dabei waren, wieder antreten, neue Kandidaten dürfen allerdings nicht mehr hinzukommen. In diesem Punkt wurde das Wahlverfahren bei den Bürgermeisterwahlen im Jahr 2013 geändert. Bei der Neuwahl entscheidet die einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen (relative Mehrheit). Kommt es zu einer Stimmengleichheit entscheidet das Los.

Stumpfe Fakten: Ergebnisse

Wahlergebnisse, erster Wahlgang

WahlvorschlagKandidat(in)StimmenStimmenanteil in %
CDU Ulbig, Markus 33.931 15,4
AfD Vogel, Stefan 10.543 4,8
Festerling Festerling, Tatjana 21.306 9,6
Gemeinsam für Dresden Dr. Stange, Eva-Maria 79.579 36,0
Die PARTEI Stosch, Lars 5.444 2,5
Unabhängige Bürger für Dresden e. V. Hilbert, Dirk 70.153 31,7
Gültige 220.956 99,1
Ungültige 1.985 0,9

Meine Interpretation

  • Dresden hat zu fast 15% die Nazis gewählt
  • wir dürfen nächsten Monat noch mal
  • der blasse CDU-Typ gibt auf und empfiehlt seinen Wählern doch lieber den FDP-Typen zu wählen
  • FDP-Typ liegt knapp (reichlich 4%) hinter der rot-rot-grünen Kandidatin
  • CDU hat fast nur den gleichen Anteil erreicht wie die richtigen Nazis

Die Nazis haben belegt dass Dresden halt weiterhin eine rechte Hochburg ist und haben damit ihr Ziel erreicht.

Der/Die/Das Kandidat(in) von "Die Partei" war dabei 4 teh lulz. Keine Ahnung ob es sein Ziel erreicht hat. Ich habe jedenfalls leider nicht gelacht.

Endresultat ist wie zu erwarten eine Entscheidung zwischen Eva-Maria Stange und Dirk Hilbert. Die Chancen liegen da imho ziemlich gleich verteilt, die Wahlfloskeln haben ähnlich wenig Tiefgang (z.B. Hilbert: „Dresden geht es gut, wenn es Dresdens Wirtschaft gut geht! Vollbeschäftigung bis 2022 heißt mein Ziel.“ vs. „Wissen schafft Wirtschaft“/„Bildung schafft Zukunft“), zeigen aber bereits wohin es geht (gut, das hätte man auch gesehen wenn man sich Partei-Zugehörigkeit und Lebenslauf ansieht).

Der Versuch des CDU-Kandidaten die eigenen Stimmen auf Hilbert zu lenken, könnte durchaus ausreichen um die Mehrheit zu erreichen, persönlich rechne ich aber auch damit dass CDU-Wähler zu großen Teilen ihr Kreuz nur aus Gewohnheit machen und bei einem Wahlzettel auf dem weder CDU/SPD/Linke/Grüne/FDP steht, einfach nicht-wählen oder wahllos Kreuzchen machen.

Dass ich persönlich eher für Bildungs-/Forschungsförderung statt für öminöses "Wir brauchen mehr Wirtschaft" bin, wird wohl inzwischen bekannt sein.
Auch dass ich sonst die Positionen von Stange weit verständlicher und besser halte als jenes seltsame Gehabe von Hilbert alá "Ich bin der große Zampano, mit massig Erfahrung bei Wirtschaft und ich werde hier für Vollbeschäftigung sorgen.", wird inzwischen aufgefallen sein. Doch für die interessierten mal noch im Detail...

Forderungen

Ich habe mal versucht aus den jeweiligen Seiten eine möglichst kurze zusammenfassung der Standpunkte zu extrahieren. Meine entsprechenden Meinungen dazu, habe ich als Title-Attribut hinterlegt (mit Mauszeiger über die unterstrichenen Textzeilen fahren um das zu lesen).

Zitat der Seite von/über Stange:

Meine Forderungen:

1. Für ein integratives und sozial gerechtes Bildungssystem von der Kita bis zur Hochschule.
Im Bereich der Bildungspolitik lautet mein Credo seit vielen Jahren: Kein Kind zurücklassen. Folgende Mittel sehe ich dafür als zielführend an:

  • gut ausgebaute Kindertagesstätten, die schrittweise ab dem dritten Lebensjahr kostenfrei sind;
  • eine Schule, die Kinder nicht permanent aussortiert, sondern individuell fördert und sie länger gemeinsam lernen lässt;
  • qualitativ gute und ausreichende Ausbildungsplätze;
  • Studiengebührenfreiheit und einen verbesserten Ausbildungsbeitrag (BAföG) auch für Schüler ab Klasse 11 und über das 30. Lebensjahr hinaus;
  • einen leichteren Zugang zum Studium auch für Facharbeiter mit guter beruflicher Qualifikation;
  • freien Eintritt in Museen für Kinder und Jugendliche bis zum 16. Lebensjahr.

2. Für ein weltoffenes und demokratisches Sachsen
Außerdem werbe ich mit Nachdruck dafür, dass wir auch in Zukunft in einem freiheitlichen Land leben, in dem Menschen nicht aufgrund ihrer ethnischen und nationalen Herkunft diskriminiert und gebrandmarkt werden. Jeder Einzelne kann dazu beitragen, dass Sachsen noch weltoffener wird. Zivilgesellschaftliches Handeln statt Fremdenfeindlichkeit müssen zu den Leitlinien unseres alltäglichen Handelns werden.

für Hilbert muss man schon deutlich länger suchen wenn man etwas ähnliches zusammenstoppeln will:

  • Ich weiß, wie es geht. Denn ich kenne das Rathaus in- und auswendig.
  • Während meiner Zeit als Oberbürgermeister werden die Bürger immer eine Stimme haben!
  • Ich werde deshalb Sprechstunden des Oberbürgermeisters im Rathaus und in den Ortsämtern und Ortschaften einrichten. Parallel werde ich das Internet für den Dialog nutzen. Wer mir schreibt, bekommt von mir eine Antwort: für Bürgeranfragen und Anliegen wird direkt mein Büro zuständig sein.
  • ein Konzept für ein Dresden der Zukunft zu schaffen, das attraktiv ist
  • städtische Zuschüsse für Familien zum Erwerb von Wohneigentum.
  • Mein Ziel ist es, dass Dresden 2025 Kulturhauptstadt Europas wird. Als Oberbürgermeister werde ich die Bewerbung mit allen Kräften unterstützen.

  • Dresden braucht attraktiven und weiterhin bezahlbaren Wohnraum. Daher werde ich dafür sorgen, dass wir künftig stärker Flächen für neue Wohnungen ausweisen. Für Investoren werde ich parallel in der Verwaltung einen Service schaffen, der die Genehmigungsverfahren bündelt. Ziel ist es hier, Entscheidungen zu beschleunigen.
  • Als Oberbürgermeister werde ich den Breitensport weiter fördern. Im Spitzensport konzentrieren wir uns auf unsere Stärken und bauen sie aushier dürfen wir uns nicht verzetteln.
  • Dresden geht es gut, wenn es Dresdens Wirtschaft gut geht! Vollbeschäftigung bis 2022 heißt mein Ziel.

  • Meine Formel lautet:
    Wachsende Wirtschaft = wachsende Stadt = Wohlstand für Dresden.
  • Marketing ist für mich eine Investition in unsere Zukunft. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir hier deutlich mehr Geld als bisher in die Hand nehmen müssen.
  • Wir können nur das ausgeben, was wir erwirtschaften.“ Deshalb wird es mit mir als Oberbürgermeister keine Neuverschuldung geben.
  • Als Oberbürgermeister werde ich das außerschulische Angebot noch weiter ausbauen – sowohl in der Breiten- als auch in der Begabtenförderung.

"Kulturhauptstadt Europas"


Eine der Forderungen von Hilbert die mir am deutlichsten ins Auge sticht (außer denen die zu "mehr Geld für meine Freunde in der Privatwirtschaft" verkürzt werden können), ist die Forderung dass Dresden 2025 Kulturhauptstadt werden soll.

Was für ein Problem ich damit habe? "Kulturhauptstadt Europas" ist ein Titel der geschaffen wurde um Kultur in Städten zu verbessern. Es ist keine Auszeichnung für die tollste Stadt mit viel Kultur die man finden kann.
Darum finden sich in den Preisträgern der letzten Jahre hauptsächlich so Städte wie Liverpool (2008), Linz (2009), Essen (2010), Turku (2011), Guimarães (2012), Marseille (2013), Umeå (2014) und Mons (Bergen, 2015).

Das liegt nicht daran dass Portugal für 2012 keine kulturell interessantere Stadt als Guimarães (50K Einwohner) gefunden hätte oder dass die ausgemachten Industriestädte Marseille, Essen oder Liverpool für ihre Länder die kulturell wichtigsten Gegenden wären.

Hilbert fordert Dresden zur Kulturhauptstadt zu machen, weil er nicht verstanden hat was der Titel tun soll.

Ja, Dresden ist eine tolle Stadt. Dresden strotzt nur so vor Kultur. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten dass es in Deutschland nur ganz wenige Städte gibt die auch nur annähernd auf diesem Gebiet mit Dresden mithalten können. (Nürnberg, Rostock, vlt. sogar Potsdam oder Weimar)

Trotzdem, oder eher gerade deshalb, ist Dresden eben nicht die Stadt die ich für sowas vorschlagen würde und ich bin mir ziemlich sicher dass die "deutsche Expertenjury", welche darüber entscheiden soll, ebenfalls weiß was mit dem Preis erreicht werden soll und ein weniger offensichtliche Ziel wählen wird.

Geschrieben von: DAT
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