Arbeitszeitreduktion
Tags: Politik -Wir haben offensichtlich viele Probleme in unserer Gesellschaft. Die meisten laufen allerdings auf reine Verteilungsprobleme hinaus. Arbeitskräfte sind offensichtlich im Überschuss vorhanden (sonst würden die Löhne wenigstens genug steigen um mit der Inflation Schritt zu halten) und der hauptsächliche Sinn der Industrialisierung war immerhin auch mal mehr Güter mit weniger Arbeitsaufwand herzustellen.
Die bisherige Lösung des daraus entstehenden Produktivitätsüberschusses war bisher immer "Mehr Konsum!" und damit zusammen hängend mehr Investition in Marketing/Werbung und andere, ähnlich unsinnige Arbeitszeitverbrennungsmittel.
Wir wissen schon lange dass diese Arbeitskräfte nie wieder (globale Kriege, Katastrophen oder ähnlich unvorhersehbares nicht eingerechnet) wirklich sinnvoll beschäfftigt werden können. Im Gegenteil! Wir werden dank fortschreitender Technoloie in Zukunft noch viel weniger Personal zur Herstellung der nötigen Güter brauchen.
Oder um es mit Volker Pispers (aus seinem Stück "Jagodas Idee") zu sagen:
Nein, die Leute werden dann dauerhaft arbeitslos sein, das kann ich ihnen schriftlich geben.
Ne, die wissen das noch nicht, aber wir.
Die werden in der Produktion nie wieder benötigt, Herr Thoma. Die braucht Deutschland nur noch beim Konsum.
Das Stück von 1994 (also vor fast 20 Jahren) ist übrigens damals wie heute komplett zutreffend und ich kann nur jedem (mindestens dem der es noch immer nicht gesehen hat) wärmstens ans Herz legen sich die ca. 8min Zeit zu nehmen und das anzusehen.
In einer Marktwirtschaft ergibt sich damit ein enormes Verteilungsproblem. Wenn Güter danach an das Volk verteilt werden wie diese Arbeitszeit aufwenden (was mit dem Umweg "Geld" ja ursprünglich mal vor hatten.) aber der Bedarf für Arbeitszeit sinkt, müssen wir die Arbeitszeit pro Person senken um eine gleichmäßigere Verteilung zu erreichen.
Jetzt kann nicht jeder einfach ab sofort auf einer halben Stelle arbeiten. Wir wissen längst dass es viele Jobs gibt bei denen das nicht möglich ist und die bei denen das möglich ist tendieren aufgrund der hohen Austauschbarkeit des Personals dazu verdammt mies bezahlt zu werden.
Wir könnten auch das Renteneintrittsalter senken. Da wir jedoch da einfach nur das Verteilungsproblem von Arbeitslosen auf Rentner verschieben ist da natürlich auch keinem geholfen. Bereis jetzt zeigt sich dass wir hier in Zukunft ein ernstes Finanzierungsproblem bekommen werden (was durch privatisierung durch Neocon-Ideologie und Koppelung der Renten an vorherige Einkommensunterschiede noch verschlimmert wird).
Ich hätte da ein paar alternative Vorschläge…
Idee 1: Pausenzeiten
Gesetzlich vorgeschriebene Pausenzeiten sollten als geleistete Arbeitszeit zählen.
Bei einer typischen 40h-Woche mit 5x8h Arbeit, wären das momentan nur 2,5h eingesparte Arbeitszeit.
Der große Vorteil liegt aber darin dass wir hier tägliche Zeiten verplanen die die Arbeitnehmer eh Unterwegs verbringen. Ähnlich der Halbtagsarbeit wird also der Arbeitstag an sich verkürzt, jedoch über alle Berufsgruppen hinweg gleichmäßig.
Weiterhin fällt auch beim Arbeitnehmer die Motivation, die vorgeschriebenen Pausenzeiten zu ignorieren, weg. Das hätte auch Arbeitsschutztechnisch Vorteile.
Und es wird noch besser: Arbeitsplätze mit mehr als 9h Arbeitszeit am Stück werden stärker entlastet. Im Gegensatz zu Halbtagsarbeit betrifft das also die stärker beanspruchten Stellen mehr statt weniger.
Idee 2: mehr Feiertage
Momentan haben wir überall in Deutschland unterschiedliche Anzahlen an Feiertagen. Der Bereich erstreckt sich von 9 Feiertagen/Jahr (Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Hollstein) bis hin zu ganzen 13 Feiertagen/Jahr (Bayern, in einigen Unterregionen kann das dort auch mal ein Tag mehr sein).
Dabei gibt es so stilblüten wie den Buß- und Bettag:
Im Jahr 1994 wurde beschlossen, den Buß- und Bettag als arbeitsfreien Tag mit Wirkung ab 1995 zu streichen, um die Mehrbelastung für die Arbeitgeber durch die Beiträge zur neu eingeführten Pflegeversicherung durch Mehrarbeit der Arbeitnehmer auszugleichen.Lediglich im Freistaat Sachsen besteht er bis heute als gesetzlicher Feiertag weiter, dafür bezahlen in Sachsen abhängig Beschäftigte (nicht jedoch deren Arbeitgeber) einen höheren Beitrag zur Pflegeversicherung als im restlichen Bundesgebiet. Dieser zusätzliche Beitrag in Höhe von 0,5 % des Bruttoarbeitsentgelts übersteigt jedoch die Kosten eines Arbeitstages. Daher ist diese Regelung ein Nachteil für die sächsischen Arbeitnehmer. Das Bundesverfassungsgericht hielt dies im Gesamtkontext der Einführung der Pflegeversicherung für zumutbar.[1] Durch die Feiertagsgesetze ist es in den meisten anderen Bundesländern jedem Arbeitnehmer möglich, sich unter Hinweis auf religiöse Pflichten an diesem Tag freizunehmen. Es muss kein Urlaubstag genommen werden, allerdings auf Lohn verzichtet. In Bayern ist am Buß- und Bettag an allen Schulen unterrichtsfrei.[2][3] Außerdem haben in diesem Bundesland die meisten Kindergärten geschlossen, wodurch viele Arbeitnehmer mit Kindern an diesem Tag Urlaub nehmen müssen, der öffentliche Nahverkehr folgt dem Ferienfahrplan. In Berlin besteht für evangelische Schüler keine Verpflichtung zum Schulbesuch.[4]
Kritiker der Abschaffung führen insbesondere an, dass der damals gewünschte Effekt – die sichere Finanzierung der Pflegeversicherung –, anders als die Abschaffung des Feiertags, nicht von dauerhafter Wirkung war und bereits Beitragserhöhungen vorgenommen werden mussten.[5] Eine Wiedereinführung wurde in den ersten Jahren nach der Abschaffung von verschiedenen Initiativen, beispielsweise einem erfolglosen Volksentscheid in Schleswig-Holstein[6] und einem Gesuch des damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber[7], gefordert, später wurde das Thema nicht mehr diskutiert.
Wenn wir also neue Feiertage schaffen (oder idealenfalls das ganze System der Feiertage überarbeiten) bekommen wir gleichmäßig über die meisten Berufe hinweg eine sehr fein einstufbare Entlastung.
Leider gibt es etliche Branchen die das nicht oder nur teilweise betrifft (z.B. Gesundheitswesen, Notfalldienste, Fabriken bei denen stillstehende Maschinen teuerer als Feiertagszuschlag sind, …) und leider legen wir in dieser Zeit einen Großteil unserer Wirtschaft komplett lahm.
Eine bessere Verteilung wäre also eigentlich schon wünschenswert.
Idee 3: mehr Mindest-Urlaub
Flexibler wird es nicht!
Urlaub muss man vorher eh mit dem Arbeitgeber absprechen, es fehlt also nie schlagartig die halbe Firma im wichtigsten Zeitraum. (ja, ok… vlt. durch unfähigkeit desjenigen der das verwaltet).
Wir setzen einfach die vorgeschriebenen Urlaubstage pro Jahr von 24/20 auf 48/40 hoch und schlagartig, über alle Bevölkerungsschichten hinweg, wird jeder um ~8% weniger produktiv.
Wir können das auch als langsame Steigerung über 10 Jahre jeweils 1-2 Tage hochschrauben oder wir bauen Lösungen alá "mit neu abgeschlossenem Arbeitsvertrag".
Wie wir das tun ist im Endeffekt fast egal.
Importierte/Alte Kommentare:
#1667: 19.Nov.2013 03:11 von Jemand
Es gab mal Zeiten, in denen war der Samstag arbeitsmäßig das, was heute der Freitag ist.
Konsequent weitergedacht: Warum nicht auf eine 4-Tage-Arbeitswoche heruntergehen?
Die sieben Wochentage ganz anders strukturiert nutzen, als bisher.
"5 Tage arbeiten, 2 Tage frei" war und ist für viele Berufe nicht allgemeingültig.
Warum überhaupt sieben Tage?
Hier könnte man sich die verschiedensten Modelle ausdenken und durchrechnen - 4+2 wäre beispielsweise ganz hübsch.
Einzelhandel 24/7 öffnen, zumindest mal ein gewisses Kontingent an Supermärkten (und Elektronikläden) zur Grundversorgung...
#1669: 19.Nov.2013 04:11 von Dr. Azrael Tod
ja
Nun… wenn schon, können wir gleich auf den einzig wahren Kalender ( http://de.wikipedia.or... ) umsteigen. Dann haben wir 5 Tage die Woche, die Feiertage sind auch gleich sinnvoll und gleichmäßig verteilt und überhaupt gibt es viel weniger Chaos, Verwirrung und Zwietracht!
Dass Öffnungszeiten albern sind hab ich ja auch schon argumentiert ( http://g33ky.de/2009/1... ), wobei der Punkt ja weniger ist dass alles 24/7 auf haben sollte, als vielmehr dass nicht alles GLEICHZEITIG auf haben sollte. Ich habe 20 Uhrmacher in Reichweite, aber nach 17 Uhr haben alle geschlossen? WAT?
#1670: 25.Nov.2013 03:11 von Felix
Hier fehlt noch das Stichwort Bedingungsloses Grundeinkommen, das wohl auch massiv die Arbeitszeiten beeinflussen würde.
#1671: 25.Nov.2013 03:11 von Dr. Azrael Tod
Ich bin davon nicht wirklich überzeugt… BGE hat mir zuviele, mögliche Seitenauswirkungen als dass ich mich in solchen Behauptungen versteigen würde.
Sicher, wenn ich mein Leben arbeitsfrei finanzieren könnte, dann würde ich schwerer bis kaum zum Arbeiten für 40h/Woche zu bewegen sein. Es gibt aber schlicht keinen funktionen Test von BGE da draußen.
Die Wahrscheinlichkeit dass ein BGE erstmal nur eine spontane Inflation auslöst, dafür $Steuer erhöht wird oder ich sonst irgendwie genauso verzweifelt für Geld arbeiten muss wie jetzt ist mir einfach zu hoch.
Das bedeutet übrigens nicht dass ich BGE nicht wenigstens mal testen würde. Ich glaube die positiven Chancen sind trotzdem deutlich besser als die auf negative Auswirkungen.
#1675: 25.Mar.2014 04:03 von Zuzi
Von dem Seitenhieb gegen die Marketingbranche mal ganz abgesehen:
Vollste Zustimmung! Bei weniger Arbeit und mehr Urlaubstagen bin ich ganz vorn dabei.
Zum Buß- und Bettag muss man ja noch dazu sagen, dass wir Sachsen dafür zwar mehr zahlen, Bayern z.B. aber dennoch allgemein mehr Feiertage haben und dafür nichts extra bezahlen müssen. Warum halsen wir ihnen nicht einfach noch ein paar Kosten auf und nehmen dafür alle ein paar Feiertage mehr ins Programm...?