follow Person vs. join Room

In letzter Zeit treffe ich immer wieder auf die Ansicht, dass wann immer es um Informationen und deren Aggregation geht, das neue System bei dem man einzelnen Personen folgt automatisch dem altbekannten System aus IRC und co., bei dem man einen Raum zu einem Thema beitritt überlegen wäre.

Um es kurz zu machen: Das ist generalisierter Blödsinn und kann nur von den typischen Web2.0 Fanatikern kommen, die es heute scheinbar überall gibt.
Aber wir sollten das Thema wie immer etwas detailierter angehen. Meiner Meinung nach gibt es durchaus Platz für beide Systeme und jedes hat Vor- und Nachteile. Die Entscheidung welches System man wählt ist durchaus eine der wichtigsten für eine neue Platform, doch sollte man sich imho davon nicht derartig nervös machen lassen, wie es offenbar viele tun. Auch wenn die Systeme unterschiedlich an das selbe Problem herangehen: Sie widersprechen sich keinesfalls!

join


Das altbekannte Raumsystem wie man es von so ziemlich allen Chats oder Foren her kennt ist zwar alt, aber dadurch noch lang nicht schlecht. Wenn ich an einem Thema interessiert bin, bringt es doch keinen Sinn mich nach Personen umzusehen die sich mit diesem Thema beschäfftigen. Die wenigsten Personen sind nur an einem Thema interessiert und es erzeugt nur unnötiges Rauschen jeglichen Personen zu folgen die irgendwann mal was zu dem Thema gesagt haben.

follow


Bei dem "Twitter-System" (als ob die das erfunden hätten... *kopfschüttel*) folgen wir einer einzelnen Quelle und bekommen jeglichen Mist mit, den diese so von sich gibt. Das bietet sich natürlich an wenn die Quelle themenspezifisch ist (z.B. Fachblog) oder wir ohne Thema auf dem laufenden zu dieser Person bleiben wollen (z.B. guter Freund).
Wenn ich hingegen auf einer Platform nur wenig aktiv bin, zeigt dieser Ansatz auch schnell seine Schwächen: Es erzeugt sehr viel Aufwand aktiv Quellen auszuwählen denen man folgt und Personen die viel uninteressantes posten auszusortieren.

sinnvoller Wechsel?


Beides Ansätze haben ihre festgefahrenen Einsatzgebiete. Häufig sollte man sich jedoch überlegen ob diese Idee in ihrer Verwendungsform wirklich sinnvoll ist, oder ob man auf einem anderem Weg nicht doch viel besser kommen würde.
So ist es für viele Personen die auf Blogs nur sporadisch unterwegs sind wohl einfacher auf großen Platformen wie Rivva, Technorati oder gar Wordpress.com nach bestimmten Tags zu suchen oder eine Google-Blog-Suche nach Bestimmten begriffen zu verwenden um eher einen Raum-ähnlichen Ansatz zu verwenden statt sich mühsamm einzelne Quellen selbst suchen zu müssen.
Bei Google-Reader, Friendfeed oder gar Twitter kann es hingegen für einige Personen sinnvoller sein bereits von anderen aggregierte Zusammenfassungen des Zeitgeschehens auszuwerten, statt Themenkanäle selbst beschaffen zu müssen.

Wenn wir uns jedoch die ganzen ausgereifteren Systeme da draußen etwas genauer ansehen, so wird eins deutlich: die wenigsten Platformen verwenden strikt ein einziges System. Friendfeed-Nutzer können so z.B. sehr schön Themen-Räume verwenden und sich IRC-mäßig aufteilen wohin sie welche Informationen genau posten, gleichzeitig kann ich aber auch einfach alten Freunden folgen und so immer auf dem laufenden bleiben was sie gerade so tun.
Das selbe gilt natürlich auch für soziale Netzwerke, Newsfeed-Systeme (Google Reader), IM-Protokolle und Foren. Fast immer habe ich die Wahl zwischen einer persönlichen und einer Themenspezifischen Ebene.

Die einzigen, mir bekannten Ausnahmen aus dieser Regel stellen folgende Dinge dar:


  • kleine Dienste, wenn ich keinen aus der winzigen Community wirklich kenne und eigentlich auch nur sporadisch dort bin um eine bestimmte Informationsart zu suchen, brauche ich keine Spezifizierung mehr. Ich habe bereits eine thematische Spezifizierung gewählt, warum sollte ich das in beide Richtungen einschränken?

  • Twitter, es gibt durchaus die Möglichkeit via Hashtags oder ähnlichen Erweiterungen nach Themen zu suchen (bereits die Suchfunktion ist gut genug versteckt dass sie die meisten Nutzer wohl nie verwenden werden), der typische Einsatzzweck von Twitter ist dies aber nicht. Diese Einstellung ist auch wieder einer der Gründe, warum ich Twitter als Platform einfach noch nicht ernst nehmen kann und warum sie für mich persönlich nicht genug Mehrwert bietet um den Aufwand zu rechtfertigen.

Importierte/Alte Kommentare:

#1130: 17.Feb.2009 08:02 von Martin Ringehahn

Um auf die Hashtags bei Twitter noch etwas einzugehen: Sowas wird idealerweise über Bots wieder nach Twitter gefüttert. Passables Beispiel hier: http://twitter.com/ttc... veröffentlicht automatisch alle Posts mit dem Hashtag #ttcu, wenn man diesen Nutzer abonniert, folgt man einem "Raum". In diesem Falle sind das Updates über den Status des Öffentlichen Nahverkehrs im Raum Toronto, auf peer-to-peer Basis. Wenn die Ubahn mal wieder nicht kommt, erfährt man hier, warum. Oder besser: Nimmt alternative Wege.

Da sind wir beim nächsten Thema, nämlich: Wie komme ich rechtzeitig an die Updates? Twitter hat in relativ kurzer Zeit eine bemerkenswerte Anzahl an clients getriggert. Sicher, man könnte das gleiche auch irgendwie offen, dezentral beispielsweise über XMPP (pubsub..) regeln. Macht aber keiner. Warum? Weil es kompliziert ist (XMPP..), weil es keine zentrale Anlaufstelle gibt etc pp. Ich verweise hier nur auf XMPP/Jabber und Google Talk. "Installier Google Talk" ist eben einfacher als "Wähle einen Jabber Host, Wähle einen Client". Genau das gleiche mit Twitter: Der Einstieg ist einfach - wobei die Website twitter.com in dem Moment sowohl als Twitter Client als auch Server für die Plattform dient.
Durch die "unstrukturiertheit" von Twitter, mit der Beschränkung der Textlänge, dem fehlen von Bildern und was-weis-ich ist es sehr einfach einen Client zu diesem "Netzwerk" zu schaffen. Mobile clients gibt es zuhauf, ebenso wie die drei Millionen anderen Dienste, die mit Twitter interagieren.

Twitter hat seine Berechtigung. Es bringt das Realtime-Internet zu den Menschen, die der technische Krimskrams nur wenig interessiert, öffnet eine Welt, die auch von Firmen wie Google bisher vernachlässigt wurde.

#1131: 17.Feb.2009 10:02 von Dr. Azrael Tod

twitter und realtime? da haben wir wieder das permanente polling, wie wir es von newsfeeds her kennen. Ich bin mir auch ziemlich sicher dass die meisten Leute Twitter nicht per client verwenden sondern immer schön im Brauser auf F5 drücken.
Natürlich kenne ich die schönen Aussagen der Twitter-Macher dass sie viel mehr Traffic über die API erhalten als über die Webseite... aber Traffic ist nicht Nutzung und ein Client der alle 5min pollt verursacht mehr davon als 10 Personen die alle 2-3 Stunden mal kurz per Hand nachsehen.

Kurz: Twitter mag vlt. seine Daseinsberechtigung haben aber imho haben die Ottonormalnutzer eine Art Realtimeinternet viel eher durch Sachen wie ICQ oder irgendwelche Flash-Webchats realisiert.
Das ist sicher schlimmer als Twitter, wird sich aber auch sicher nicht so schnell ändern.

#1132: 19.Feb.2009 12:02 von fwolf

oder, anders formuliert: Twitter bleibt uninteressant für mich, ICQ bleibt das meistgenutzte System (bei mir).

cu, w0lf.

#1133: 19.Feb.2009 12:02 von Dr. Azrael Tod

nuja, es gibt durchaus web2.0-dienste die vergleichbare informationen liefern (friendfeed mal als sehr ähnliches) aber erheblich flexibler sind...
und was icq betrifft: sagen wir mal wenn man das protokoll durch ein vernünftiges wie jabber oder irc ersetzt, stimme ich dir was IM betrifft zu. :-)

#1134: 19.Feb.2009 10:02 von fa

IRC und IM in einem Satz.. ne, ne, ne - zu viele Idler ;)

#1135: 19.Feb.2009 12:02 von Dr. Azrael Tod

Weil im irc viele nur anwesend sind und nur alle paar stunden mal nachsehen ob es etwas interessantes gab, ändert das doch nichts am Protokoll und seinem Nutzen.... abgesehen davon dass ich auch Jabber oder sonstige IM-Protokolle nicht anders verwende, ich kann ja nicht immer nur auf den Client starren.

#1136: 03.Mar.2009 02:03 von Martin Ringehahn

Nochmal zu der Sache mit "twitter und realtime", weil mir gerade was dazu eingefallen ist:

http://search.twitter.com/search?q=thepiratebay

Wenn man die üblichen Vergleiche mit mit Instant Messengern und IRC macht, wird man bemerken, dass Instant Messanging im allgemeinen nicht öffentlich ist. IRC ist meisstenfalls öffentlich, wird jedoch im allgemeinen nicht öffentlich geloggt und ist somit nicht durchsuchbar. Was man auf seinem Blog schreibt ist offentlich und "geloggt", jedoch nicht immer zügig indiziert. Twitter ist öffentlich, geloggt und zeitnah indiziert - damit auch sofort durchsuchbar.

Man kann diesen Vorteil bei grösseren Ereignissen beobachten (http://search.twitter....) als auch bei kleineren Gruppen (etwa Hashtags #twdd für ein Dresdner Twitter meetup, #genyto für ein Torontoer). Mal sehen wie lang das nutzbar bleibt. Im Prinzip sind Hashtags und @replies ja öffentliche Räume im IRC-Vergleich. Moderation wurde im IRC bestimmt nicht aus langeweile eingeführt.

Geschrieben von Dr. Azrael Tod