Procrastination
Da ist es wieder jenes Wort das ich erst seit 1-2 Jahren kenne... Es scheint das absolut böseste zu bedeuten was man als Person tun kann und es werden mehr Bücher darüber geschrieben wie man Procrastination vermeiden kann als darüber wie man richtig Auto fährt.
Was bezeichnet dieser Begriff eigentlich? "Procrastination" könnte man auch als "Aufschieben wichtiger Arbeiten" bezeichnen. Wann immer man überlegt "Ich müsste jetzt XYZ tun" aber sich doch entscheidet "ABC" zu erledigen weil das erstmal mehr Spaß macht oder einfacher ist, könnte man das als Procrastination bezeichnen. (Man kann es aber auch lassen und z.B. lieber ein Wort verwenden was auch ein nicht-Geek versteht.)
Mein Problem mit dieser Ansicht ist, dass erstmal alles als schlecht angesehen wird was mich von "wichtigen" Erledigungen abhält. Für mich als chronisch faulen, studiengeschädigten Informatiker fallen also sowohl Computerspielen, Bloggen, lesen von Newsfeeds oder Linux-basteln als auch die Programmierung eines IRC-Bots darunter. Unangenehme Dinge wie Hausputz sollten sofort erledigt werden, wohingegen Dinge ohne sofortigen Nutzen erstmal wegfallen oder aufgeschoben werden.
Damit wird die Steuererklärung zum Lebenszweck.
Ich will nun aber mein Leben nicht mit Steuererklärung und Hausputz verbringen, noch viel weniger will ich permanent überlegen was ich als nächstes tu. Wenn ich diesem Denkschema bis ans Ende folge, lande ich dabei emsig zu arbeiten und alle Probleme sofort aus der Welt zu schaffen. Zum faulenzen, Buch lesen oder Film ansehen komme ich dann jedoch erheblich weniger.
Meiner Meinung lösen sich viele Probleme nunmal von selbst. (Manche nicht immer zum Vorteil, Beziehungsprobleme lösen sich z.B. auch fast immer nach 1-2 Wochen oder spätestens Monaten ohne Aktion als nicht mehr existend auf... mieses Beispiel)
Wenn wir mal unsere gesammte Weltbevölkerung ansehen, dann fällt verdächtig auf dass wir viele Probleme haben. Eines gehört jedoch nicht dazu, wir haben durchaus genug Arbeitskräfte. Wir haben sogar zu viele davon, wenn wir alle Menschen mit aktuellen technischen Mitteln ausstatten stehen wir mit derartig viel Produktionskraft da, wie wir unmöglich derzeit verwenden könnten. Wir merken also: es gibt einen Grund für Arbeitslosigkeit und dieser Grund wird durch den technischen Fortschritt auch nicht weniger.
Zusätzlich zu all dieser Produktiv- und Schaffenskraft unserer Weltbevölkerung und zusätzlich zu allen technischen Möglichkeiten wollen wir also jetzt noch die Leistung der Einzelpersonen steigern. Doch stellt sich für mich hier die Frage: Was wollen wir damit erreichen? Wäre es nicht schöner wenn jeder vlt. nicht so effektiv, dafür aber mit Spaß an Dingen arbeiten könnte die ihm oder ihr gerade einfallen? Wie ich gerne an IRC-Bots schreibe, kann ich auch an ernsteren Projekten schreiben, andere schnitzen z.B. gerne Holzfiguren, schneidern Kleider oder bauen evtl. sogar gerne Häuser.
Natürlich wird nicht jede Arbeit von genug Menschen gerne gemacht um den Bedarf zu decken... das wäre dann auch Kommunismus und dass dieser nicht wirklich möglich ist, sollte jedem Menschen klar sein wenn er darüber nachdenkt ob er allen seinen Nachbarn ungebremst alle seine Güter in die Hand drücken würde.
Es ist jedoch ein Hinweis darauf, dass auch unser System nicht mehr ewig funktioniert. Besser noch: unser System funktioniert bereits jetzt nicht mehr (wie man an den immer größer werdenden sozialen Unterschieden merkt) und läuft nur aus dem Grund weiter dass wir kein besseres haben und auch niemanden der es einsetzen könnte.
Aber sehen wir es mal lokal: Mein Leben lang war ich bereits derartig faul dass es eigentlich zum Himmel stinken müsste. Ich habe sicher nur die Hälfte meines Potentials ausgeschöpft und hätte erheblich mehr leisten können. Wenn ich dazu noch etwas Glück in den Topf geworfen hätte, hätte ich jetzt vlt. einen erheblich besser bezahlten Job oder eine eigene Firma, wäre weltweit für irgendwas bekannt oder würde sonst irgendwie mit einem Projekt glänzen können.
Wenn man von diesem Idealfall ausgeht, hätte ich mit wirklich richtig viel Glück, Aufwand und Können vlt. schon in 20-30 Jahren in Ruhestand begeben können.
Ich könnte also in wenigen Jahrzehnten schon anfangen Spaß in meinem Leben zu haben... oder ich tu das halt jetzt.
Natürlich bedeutet das nicht, dass ich bei meinem Arbeitgeber nur rumgammeln würde. Ich verstehe durchaus dass dieser von mir eine Arbeitsleistung für sein Geld erwartet und dass er es sich weder leisten kann, noch will mich ohne Gegenleistung bei sich rumsitzen zu lassen. Anders sieht es aber aus, wenn ich als Privatperson die Wahl zwischen einer Arbeitszeit von 40h/Woche für 3000€ oder einer 20h/Woche für 1500€ hätte.
Zeit ist nicht Geld, dann könnte ich mir für mein Geld auch wieder Zeit zurückkaufen. Das kann ich nicht, daher muss Zeit wertvoller sein als Geld.
Importierte/Alte Kommentare:
#1036: 05.Jan.2009 11:01 von fa
Normalerweise stänkere ich ja immer, dass die englische Sprache manchmal so schöne prägnante Worte hat, wofür der Deutsche gerne mal ein bis zwei Halbsätze aufwenden muss, aber bei "procrastination" ist das was anderes. Wenn ich zum Beispiel zur Belustigung mal wieder http://www.lifehacker.com lese, finden sich dort neben Anleitungen zum gesunden Menschenverstand (Caution, your coffee may be hot!) auch gewisse Schlagworte wie jenes, das zielsicher auf die absolut stumpfesten Methoden des GTD hinweist. Oder auf die "personal development"-Blogs ala "How getting up at 5 am made me earn twice as much per year". Oder so.
#1037: 06.Jan.2009 09:01 von madda
Tjaaaa ...
Ich sach immer dazu "Wenn alles perfekt laufen würde, währen wir alle arbeitslos"
Das das ganze System sich nach und nach auffrisst, da wir aufgrund voranschreitender Medizin immer älter werden und unserer relativ guten Lebensverhältnisse immer mehr usw.
Es gibt eben Dinge, die sollte man nicht aufschieben, wie Hausputzt und ähnliches, einfach um sich ein wohles Umfeld zu schaffen, aber Karriere und dergleichen können für mich persönlich nicht darunter fallen. Für manch einen mag das zum wohligen Umfeld führen, für mich ist das immer ein hang zum extremen und ich mag Extreme nicht.
Ein wenig Zeit für unwichtige Dinge muss sein, vor allem in Zeiten, in denen der Fokus der wichtigkeit stark verschwimmt.
#1038: 06.Jan.2009 10:01 von Dr. Azrael Tod
Warum sollte man Hausputz nicht aufschieben dürfen? Solange es im Rahmen bleibt kann man alles aufschieben. (Natürlich sollte es nicht in unappetitlichen Bereichen enden, aber wenn man mal die Fenster 2 Wochen nicht putzt werden dadurch auch nicht sofort BKA und Nachbarn die Wohnung stürmen)
Man sollte halt immer wissen was man nicht mehr aufschieben sollte um die Lage überhaupt noch unter Kontrolle bekommen zu können.
#1039: 06.Jan.2009 03:01 von madda
mhmmm ... vllt liegt hier die Schwierigkeit darin zu sagen, in welchem Umfang man etwas nicht aufschieben sollte.
Alle 2 Wochen Fensterputz ... oh Herr ^^'
Und da liegt allerdings auch für viele das Problem zu erkennen, wann etwas nun gemacht werden muss, oder wann man es liegen lassen kann.
"Caution, the Cup is hot!" ... Klar das Menschen, die automation gewöhnt sind denken, das wenn sie den Automat bedienen und einen Kaffee bekommen, davon ausgehen, das sie ihn sich ma eben reinschlürfen können.
Mhmm ... gesunder Menschenverstand wird leider rar
#1040: 06.Jan.2009 03:01 von Dr. Azrael Tod
Alt. sollte man dann wirklich einfach ALLE Warnungen auf irgendwelchen Maschinen oder so entfernen und das Problem mit dem mangelnden Verstand würde sich darwinistisch selbst lösen...
#1041: 06.Jan.2009 08:01 von madda
... ein Motto dem eine Stadt aktuell folgt, welche Verkehrswarnschilder entfernt hat und seit dem einen krassen Rückgang an Verkehrsdelikten erfährt ^^
Man kann Menschen also erziehen ^^