Schulen und Medienkompetenz

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Oh wie ich es leid bin.

Jedes Jahr eine neue Schulreform ankündigen und jedes Jahr mehr MINT versprechen - Denn Dinge wie Informatik sind es, was wir heute im Berufsleben brauchen!

Warte…

Bringt denn MINT-Unterricht an der Schule wirklich was für das Berufsleben?

Meine Schulausbildung (Wirtschaftliches Profil, später Mathe/Physik-Leistungskurs) war so minzig wie nur irgend möglich - aber hat mir das irgendwas nennenswertes für mein Berufsleben gebracht? Gut… paar Mathe-Grundlagen möglicherweise, auf denen ich späteren Stoff in Studium und so aufbauen konnte, aber mehr auch nicht.

Physik? Da habe ich (natürlich) Grundlagen vermittelt bekommen, die mir im Privatleben helfen, wenn ich mal wieder Wasserflaschen einfrier’ um meine Wohnung zu k&uumml;hlen oder so. (Hey, ich weiß wie ein Verbrennungsmotor grob funktioniert - Warten könnte ich ihn natürlich nicht). Im Berufsleben für mich jedoch weitestgehend nutzlos.

Bio/Chemie/andere Wissenschaften? Ähnlich wie Physik - aber noch weniger anwendbar. Selbst bei meinem einzigen Auftrag der mit Medizin zu tun hatte, zog ich mehr Wissen aus meiner eigenen Krankheitsgeschichte als aus dem Bio-Unterricht.

Werkunterricht - jene verhasste Fortsetzung der Bastelstunde aus dem Kindergarten, nur mit härteren Materialien - das nutzloseste Fach aller Zeiten.

Informatik? Das ist doch genau mein Fachgebiet - sollte man doch meinen dass ich da irgendeinen Nutzen aus dem Unterricht gezogen hätte? PUSTEKUCHEN! Unterricht im MS-DOS und MS-Office bedienen bringt heute halt nichts. Weniger als nichts. Bestenfalls habe ich da schonmal gehört dass man Disketten vor der Verwendung formatieren muss (ohne Erwähnung von Begriffen wie “Dateisystem”, natürlich) - auch das bestenfalls Grundlagen um später mal was richtiges zu lernen.

Gar nichts gelernt?

Doch, natärlich habe ich in der Schule Wissen vermittelt bekommen, welches ich jeden Tag im Berufsleben brauche. Hauptsächlich jedoch in Fächern wie…

  • “Deutsch” (Anschreiben aufsetzen in mangelhafter Rechtschreibung? Sehr dumme Idee!)
  • “Wirtschaft” (Buchführung oder Grundlagen dazu was eine GmbH von einer EG oder AG unterscheidet - wie sollte ich ohne das Arbeiten?)
  • “Englisch” (kaum eine Minute im Leben, in der ich das nicht brauche)
  • selbst der Schreibmaschinenkurs im wirtschaftlichen Profil, ausgeführt auf lauten, alten, mechanischen Schreibmaschinen, hilft mir heute mehr im täglichen Berufsleben, als jeder Informatikunterricht.

Das sind halt aber alles gerade keine MINT-Fächer.

Wowereit!

Schulen sollen halt nicht für das Berufsleben vorbereiten. Sie sollen Grundlagen vermitteln um später genau dieses tun zu können. Gerade Heute, in einer kurzlebigen Zeit, in der Fachwissen schneller veraltet als jemals zuvor, ist die Idee spezialisiertes Fachwissen in der Schule zu vermitteln dümmer als jemals zuvor.

Dann bekommt man halt DOSianer-Lernprogramme für die Smartphone-Generation. Kann man machen, ist dann aber auch scheisse.

Was stattdessen lieber?

Es gibt durchaus Dinge die mir völlig in den Lehrplänen fehlen.

  • Grundlagen wissenschaftlicher Arbeit
  • Lesen und Verstehen von Statistiken und Prozentangaben
  • Anleitung zu Recherche und Quellenanalyse
  • Medienkompetenz

Apropos Medienkompetenz

Aber wie soll ich von Institutionen Medienkompetenzschulung und Quellenanalyse erwarten, die in Deutschprüfungen regelmäßig folgendes Zitat:

Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.

mit der Quellenangabe “Sokrates” oder “Platon” zur Interpretation aufgeben?

Doch die tatsächliche Quelle ist dann doch “etwas” jünger:

It was crafted by a student, Kenneth John Freeman, for his Cambridge dissertation published in 1907. Freeman did not claim that the passage under analysis was a direct quotation of anyone; instead, he was presenting his own summary of the complaints directed against young people in ancient times. The words he used were later slightly altered to yield the modern version.

Großartig! Könnte man nur noch toppen indem man knackige Latein-Zitate, über das Lernen an sich, in ihrer Aussage komplett umdreht und über die Tür hängt?

Wird sofort getan!

Non vitae sed scholae discimus (Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir) ist ein Zitat aus einem Brief von Lucius Annaeus Seneca an seinen Schüle Lucilius (epistulae morales ad Lucilium 106, ca. 62 n. Chr.), in dem er Kritik an den römischen Philosophenschulen seiner Zet äußert

Passt verdreht perfekt über jede Schultür!

Die umgekehrte Version Non scholae, sed vitae discimus über dem Eingangsportal der Rektoratsschule Ronsdorf Bekannte deutsche Übersetzung der umgekehrten Version an der Außenwand der Grundschule in Niederems

Möglicherweise war das aber auch nur einfach die größte Medienkompetenzübung aller Zeiten und keiner hat sie verstanden.

Fnord.

Geschrieben von DrAzraelTod