Rauchverbote und andere erzwungene Gesundheit

with tags Politik Säue durchs Dorf treiben -

Irgendwie scheint die Diskussion um ein Rauchverbot in Gaststätten nicht abzunehmen, natürlich flammt sie immer dann auf wenn gerade wieder irgendeine Entscheidung getroffen wurde, aber wer will auch schon vorher diskutieren? Dann kann man sich ja nicht halb so schön über die ganze Ungerechtigkeit auslassen die man schon wieder ertragen muss.
Um es mal genauso sinnlos zu machen werde ich auch gerade jetzt mal meinen Teil zu dieser Nicht-Diskussion beitragen, wenn gerade keiner über das Thema redet.

Jedes mal besser werden die Argumente. Es wäre eine unglaubliche Einschränkung der persönlichen Freiheit, es gäbe schon genug Vorschriften, es wäre überhaupt nicht bewiesen das Rauchen wirklich gesundheitsschädlich ist, wer den Rauch nicht mag, muss ja nicht in die Kneipe gehen, der Rauch überdecke die schlimmeren Gerüche in der Disco oder dass Raucher ja eh das Gesundheitssystem mit der Tabaksteuer bezahlen.

Das ultimative Argument aber hab ich neulich bei Feynsinn gelesen:


Die Begründung, der Gesetzgeber dürfe “dem Schutz der Gesundheit den Vorrang vor den Freiheitsrechten” gesellschaftlicher Gruppen einräumen, öffnet der Schikane Tür und Tor. Daß ausgerechnet vorgebliche Gesundheitsaspekte von jeder nachvollziehbaren Begründung ausgenommen werden und damit ausdrücklich die Freiheit von Gruppen eingeschränkt wird, ermöglicht letztendlich barbarische Zustände. Eine staatlich verordnete Pflicht zur Gesundheit ist ein hinreichendes Mittel zur Errichtung einer Diktatur. Es bedarf nur einiger dominierender “Experten”, die eine Bedrohung für die Volksgesundheit behaupten, und schon stehen alle Mittel und Wege offen, um diese einzudämmen. Das hatten wir schon mal.

Ach? Wenn dem so ist, dann sollten wir jetzt auch endlich harte Drogen legalisieren... Es soll sich ja jeder die Gesundheit ruinieren können wie er will. Nein, halt der Vergleich hinkt. Wie wäre es mit einer Aufhebung der Gurtpflicht im PKW? Nein, trifft es auch noch nicht so ganz.
Jetzt hab ich es: Wir sollten außerhalb der Ortschaft jegliche Geschwindigkeitsbegrenzungen aufheben und Alkohol am Steuer zulassen. Dann gefährdet man auch andere, eine Gefahr lässt sich auch schwer beweisen (nur weil man es darf, muss man es ja nicht auch tun, außerdem können die Leute ihre Fähigkeiten ja sicher einschätzen), man geniest mehr persönliche Freiheiten und diejenigen die das stört, müssen ja einfach die Ortschaften nicht per Auto verlassen!

Nein, irgendwie hab ich das Gefühl dass es bereits verdammt viele Stellen gibt in der die Gesundheit den Freiheitsrechten vorgezogen wird. DA KOMMEN JETZT BESTIMMT DIE NAZIS WIEDER! ODER DIE SOZIALISTEN! (oder auf welche Freiheitseinschränkung die Anspielung da auch immer gezielt hat)

Ja es gibt Einschränkungen. Das könnte unter anderem daran liegen dass es in vielen Fällen (ganz sicher jedoch beim Rauchen) nicht nur um die eigene Gesundheit geht. Es geht hier ja auch nicht um generelle Rauchverbote. Ihr dürft gerne weiter in euren eigenen 4 Wänden oder draußen an der "frischen Luft" rauchen. Selbst wenn die Gaststätte abgeschlossene Raucher-Bereiche anbietet, könnt ihr noch weiter schön gepflegt euren Qualm von euch geben. Das einzige was ihr nicht mehr dürft wenn ein solches Gesetz vorliegt: mir die Entscheidung nehmen ob ich euren Rauch in einer Gaststätte ertragen muss.

Versteht mich nicht falsch! Ich bin keinesfalls einer dieser militanten Nichtraucher, die bei jedem Glimmstengel in 10km Entfernung schon anfangen müssen sich demonstrativ zu räuspern. Nichtmal mein Asthma brachte mich bisher dazu mich ernsthaft Rauchern gegenüber zu beschweren. (Wenn ich auch wenigstens einen Funken Anstand erwarte, z.B. die einfache Frage "Stört es dich wenn ich rauche?" - Ich habe da glaube außer in meiner Wohnung oder so noch nie mit "Ja" geantwortet, aber ich werde gerne gefragt.)

Hat schonmal jemand ohne gesetzliches Rauchverbot Kneipen, Bars oder Discos mit einem solchen gesehen? Irgendeine Stelle an die man als Nichtraucher gehen könnte, um dem Problem von sich aus aus dem Wege zu gehen? Ich jedenfalls nicht!
Ich kann ja auch durchaus verstehen dass ein solcher Grundsatz für die betroffene Kneipe ernste Umsatzeinbußen mit sich bringt. Wer hat nicht mindestens einen Raucher im Freundeskreis? Wenn jedoch jede Kneipe die gleichen Auflagen erfülle muss, dann wird das ja wohl kaum dazu führen dass plötzlich überhaupt niemand mehr was trinken geht.

Doch ignorieren wir mal die Gäste (immerhin könnten die ja tatsächlich zuhause bleiben wenn sie z.B. gesundheitlich den Rauch nicht vertragen). Was sollen die Angestellten tun? 5 Tage die Woche, das ganze Jahr lang hochkonzentrierten Tabakqualm einatmen? Bei den Belastungen die in diesem Gewerbe an der Tagesordnung sind, müssten andere Angestellten schon lange einen Atemschutz tragen.

Aber ich vergas... es gibt ja noch das "Argument" dass ja überhaupt nicht bewiesen wäre dass Tabakrauch Lungenkrebs verursacht oder sonst irgendwie schädlich sei. (Das mag lustig klingen, aber ich hab das wirklich schon mehrmals von Leuten gehört die sonst garnicht so einen dämlichen Eindruck erweckten.)
Da zitier ich erstmal Wikipedia:


Laut Forschungsergebnissen, die in den Wissenschaftszeitschriften Circulation und Journal of the American College of Cardiology im Jahre 2009 veröffentlicht wurden, haben Rauchverbote in Europa und den USA die Anzahl der Herzinfarkte jährlich um 26 % vermindert.[20] Das Canadian Medical Association Journal berichtet von einem Rückgang cardiovaskulärer Erkrankungen um 39% sowie von einer Reduktion der Atemwegserkrankungen um 33% in Toronto.[21] Die Anzahl der Klinkeinweisungen wegen Herzproblemen ging nach der Einführung von Rauchverboten im Schweizer Kanton Graubünden um mehr als 20 Prozent[22], in der US-Stadt Helena um 16 Prozent[23], in der US-Stadt Pueblo um 41 Prozent[23], in Island bei den männlichen Nichtrauchern um 21 Prozent[24], in der italienischen Region Piemont bei Personen bis zum Alter von 60 Jahren um elf Prozent[25] und in Neuseeland bei Personen im Alter von 55 bis 74 Jahren um neun Prozent sowie bei Menschen von 30 bis 54 Jahren um fünf Prozent zurück[26].

...und dann stelle ich mal die Frage in den Raum, wer wirklich daran glaubt dass es irgendwie positiv sein könnte wenn man Verbrennungsabfälle inhaliert, sich Teer in die Lungen kippt und von Nikotin abhängig wird. In der Tat besteht nichtmal mehr Zweifel daran dass Rauchen immens schädlich ist und auch ein direkter Zusammenhang zwischen diversen Krankheitsbildern und Tabakkonsum besteht.
(um nochmal Wikipedia zu bemühen:)
Das Bundesverfassungsgericht stellte 1997 fest, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist. Weiterhin wurde höchstrichterlich festgestellt, dass nach heutigem medizinischem Kenntnisstand gesichert ist, dass Rauchen Krebs sowie Herz- und Gefäßkrankheiten verursacht und damit zu tödlichen Krankheiten und Gesundheitsgefahren für nicht rauchende Mitmenschen führt. Bei Tabakerzeugnissen handelt es sich um Genussmittel, bei deren bestimmungsgemäßer Verwendung Gesundheitsschäden regelmäßig auftreten (BVerfG, B. v. 22. Januar 1997, Az. 2 BvR 1915/91, in: BVerfGE 95, 173).

Aber wem erzähl ich das eigentlich? Jedem vernünftigen Menschen müsste das eigentlich auf Anhieb klar sein und die anderen werde ich eh nicht überzeugen.

Um jedenfalls den Kreis endlich wieder zu schließen:
Ich selbst hatte schon mehrmals das Vergnügen in einer Gruppe Raucher zu stehen und nach kurzer Zeit Atemprobleme dank Asthma zu bekommen. Das passierte mir meistens in geschlossenen Räumen, es trat aber auch schon außerhalb jeglicher Gebäude auf. (ganz zu schweigen von viel regelmäßigeren Effekten wie Kleidung die nach einem Kneibenabend stinkt) Die Aussage dass ich dann halt nicht in eine Kneipe gehen soll wenn ich damit rechnen muss das sowas passiert, empfinde ich als Frechheit. Ohne verpflichtendes Rauchverbot gibt es keine Kneipen in denen man nicht rauchen darf. Angestellte werden in solchen Einrichtungen überhaupt nicht gefragt und was der Rauch der Einrichtung antut will ich lieber garnicht wissen.

Wenn es also um persönliche Freiheit geht, würde ich die selbige der Raucher als wirklich kaum Eingeschränkt sehen, die der Nichtraucher schon. Wenn es um die Gesundheit geht, dann ist die Diskussion eh beendet und wer sich über die Tabaksteuer aufregt, kann sich ja auch gerne mal die Brandweinsteuer ansehen oder die Auflagen mit denen sich die Liebhaber anderer Drogen in Deutschland so rumschlagen müssen.

Importierte/Alte Kommentare:

#1440: 25.Oct.2010 02:10 von chriwi

Das Beispiel mit dem betrunkenen Autofahren ist perfekt. Das werde ich mir merken. Im übrigen bedeutet die Freiheit des Einen immer die Einschränkung eines anderen.

#1441: 26.Oct.2010 12:10 von willi

Das schöne an solchen Diskussionen ist immer wieder, dass "normale" Leute versuchen, einen rationale Diskussion mit Suchtkranken zu führen. Das macht die Sache schwierig, weil Sucht und Rationalität verdammt schlecht zusammenpassen. Im Gegenteil: Als Abhängiger ist mir keine Rationalisierung meines Verhaltens zu abstrus als das ich sie nicht ins Feld führen würde, um mich nicht der Tatsache stellen zu müssen, dass ich ein elender Junky bin, der jederzeit bereit ist, für seine Sucht all die schönen Werte (Freiheit, Solidarität, Altruismus etc,) die ich sonst so toll finde, flugs zu beerdigen, nur damit diese Verlangen gestillt ist.
Dein Beispiel mit dem Alkohol am Steuer ist ein schönes Beispiel.
Ich habe selber 20 Jahre geraucht und es gib kaum ein Argument, dass ich zu meiner aktiven Zeit nicht ins Feld zu führen bereit war, um mein assiges Verhalten zu rechtfertigen.
Dabei habe ich nichts gegen Raucher. Jeder mag sich mit dem Zeug umbringen das ihm gefällt. Solange er für sich macht und damit sonst niemanden gefährdet -fine by me.
@chriwi Sehr richtig und wer den Respekt vor der Freiheit des anderen für eine Zumutung hält hat irgendwie das Konzept nicht verstanden.
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Geschrieben von Dr. Azrael Tod