Fehler in SciFi

Wohl jedem von uns sind sie schon einmal aufgefallen: Fehler in typischen Sciencefiction Geschichten.
Dabei sollte eigentlich schon vom Namen des Genres her klar sein dass man sich bei all der Fiktion doch bitte auch ein wenig an reale Wissenschaft halten sollte.
Viele dieser (oft billig produzierten) Geschichten zeugen aber noch heute vom imho eigentlich überlagerten Vorurteil dass SciFi generell nur Einheitsbrei mit Weltraummonstern, schlampigen Geschichten, einer typischen Heldenfigur und ein paar hübschen, spärlich bekleideten Frauen sein muss.
Diese Meinung stammt wahrscheinlich noch aus den Anfangszeiten des Genres (oder zumindest als es erstmals so eingeordnet wurde) als diese Geschichten in der Tat hauptsächlich billig produziert als Groschenhefte auftauchten und eher der seichten Unterhaltung dienen sollten.
Da es ziemlich schwer ist, physikalisch korrekte, realistische Einschätzungen der Zukunft zu bringen, dies alles so ganz nebenbei noch spannend zu erzählen und mit glaubhaften Charakteren zu versehen (an den beiden letzten Bedingungen scheitern bereits in anderen Genres die meisten Autoren, warum sollte das hier besser sein und dann auch noch abstrusen physikalischen Gesetzen entsprechen?) kann man die vorhandenen Fehler meiner Meinung nach in verschiedene Gruppen aufteilen:

Die erste Gruppe wären Punkte bei denen der Autor nicht im geringsten auf bestehende Physik achtet wenn sie einen dramatischen Vorgang erschweren würde. Meist hat der Autor nach einer anderen Lösung gesucht, doch keine einfache gefunden.
Das klingt auf den ersten Blick nach der schlechtesten Möglichkeit, meiner Meinung nach muss das jedoch nicht unbedingt der Fall sein. Natürlich ist vieles aus diesen Geschichten unmöglich und kann mit ein wenig Hintergrundwissen leicht verlacht werden, doch die Autoren konzentrieren sich an diesen Stellen dafür oft auf die Dinge die sie eher können und erzeugen Geschichten die vom Erzählstil und den geschilderten Vorgängen her äußerst fesselnd wirken.
Oft entstehen daher große Meisterwerke die ohne derartiges nicht möglich wären und man sollte bei all der Kritik nicht vergessen dass vieles aus diesen Geschichten zwar völlig unmöglich sein mag, dies aber in vielen anderen Genres völlig normal und gar erwünscht ist.
Es hat sich ja auch noch nie jemand aufgeregt, dass Sauron, die Ents und wohl 3/4 aller anderen Wesen in Tolkiens Geschichten aus Mittelerde in der Realität unmöglich wären.
Gute Beispiele für derartige Fehler finden wir z.B. wenn im Skylark-Zyklus von Eduard Elmer "Doc" Smith ansehen wie interstellare Reisen ermöglicht werden: -> Einstein hat sich geirrt, wir brauchen nur immer weiter zu beschleunigen und werden schneller als das Licht. (Ein recht häufiger Ansatz bis man dazu übergegangen ist via "Wurmloch" oder "Hyperantrieb" zu reisen da dies schwerer zu widerlegen ist.)

Die Zweite Gruppe der Fehler sind wohl Stellen die dem Autor gar nicht bewusst waren, er versuchte sich möglichst an alle bekannten Theorien und Gesetzmäßigkeiten zu halten doch ihm ist ein Fehler unterlaufen.
Die meisten dieser Fehler sind eher unwichtig und werden von denjenigen die sie entdecken meist nur belächelt. Aber immerhin hat man etwas bemerkt was anderen nicht aufgefallen ist, daher werden derartige Fehler oft bekannter als Stellen die sehr offensichtlich sind.
Natürlich gibt es auch offensichtliche Fehler in diesem Bereich, dies ist dann aber auch die Stelle an der uns das Vorurteil der billig produzierten SciFi wieder einholt. Wenn sich eine Person mehr diese Geschichte durchgelesen hätte bevor sie veröffentlicht wurde, hätte der Fehler evtl. behoben werden können.
Beispiel: Um die Ringwelt von Larry Niven wurde zeitweise viel Aufhebens gemacht, als ein paar Physiker das beschriebene Gebilde durch gerechnet haben und feststellten dass eine derartige Welt nicht lange existieren würde da sie keinen stabilen Orbit behalten würde. Ringwelt war davon abgesehen in vielen Aspekten ein physikalisch sehr korrektes Werk und Niven hat in Teil 2 dieser Buchfolge auch auf die Instabilität reagiert und eine komplette Geschichte aufgebaut in der die Probleme wie auch ihre Lösung erklärt wurden (Die Bekanntheit dieses Fehlers soll angeblich soweit gegangen sein dass Studenten am MIT davon 1971 auf den Fluren gesungen hätten. Quelle: Widmung des Buches Ringewelt Ingenieure)

Eine weitere Art Fehler sind "die Unvorhersehbaren", damit meine ich Fehler die der Autor gar nicht bemerken konnte, weil die ihnen entgegenstehenden Gesetzmäßigkeiten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch gar nicht bekannt waren.
Mit diesen Fehlern will ich mich gar nicht all zulange aufhalten, sie kommen natürlich ab und zu vor und sind nahezu unmöglich zu verhindern.
Ein Beispiel: Die Oberflächengestallt der Venus in der Perry Rhodan-Reihe. Zum Zeitpunkt des Erscheinens der ersten Hefte war schlicht noch nicht genug über die Beschaffenheit bekannt, dass die Autoren also daneben lagen, war zu erwarten.
Es sei mir nur noch die Randbemerkung gestattet dass es erstaunlich ist wie selten diese Fehler in manchen Klassikern vorkommen und wie genau manche Werke, z.B. manches von Jules Verne, an erst später entdeckten Prinzipien und Technologien liegen. (Allerdings hat auch Verne Fehler gemacht, es würde z.B. wohl den wenigsten Personen gefallen in einem Projektil, per Kanone auf den Mond geschossen zu werden...)

Als vierte Art der Fehler würde ich Dinge zählen, in die man sich über Umwege hinein gesteigert hat, diese Art der Fehler ist in Büchern noch relativ selten gewesen, nahm mit der Verbreitung von längeren Fernsehserien oder monatlich erscheinenden Fortsetzungsromanen immer mehr zu.
Gute Beispiele [Update]wären hier z.B. fallen mir im Moment leider nicht ein, aus diesem Grund hatte ich diese Stelle bereits leer gelassen, werde nochmal ne Nacht drüber schlafen und hoffentlich etwas nachliefern[/Update]

Die fünfte und letzte Art der Fehler sind diejenigen die ich am meisten hasse. Sie sind erst mit der Verbreitung von Film und Fernsehen in größeren Mengen aufgetreten und entstehen entweder aus Budgetgründen (egal welchen Effekt man darstellen will, bei einem Buch macht das Preislich nicht wirklich große Unterschiede) oder um auf dem Bildschirm einen schöneren Effekt zu verursachen.
Für die erste Variante finden wir ein Beispiel wenn wir uns Ansehen warum bei Star Trek der Teleporter genutzt wurde: Landungen auf Planeten via Raumschiff darzustellen wäre zu teuer gewesen. Der Teleporter, welcher sich in der SciFi derartig festgesetzt hat, ist also (zumindest sein massives Auftreten) nur ein Nebeneffekt einer Sparmaßnahme. Der Fehler liegt darin dass es dank der Heisenbergschen Unschärferelation unmöglich wäre die Subatomaren Teilchen gleichzeitig exakt bezüglich ihres Impulses als auch Position zu erfassen. (Dazu muss man aber noch sagen dass a) dies nach neueren Erkenntnissen evtl. gar nicht nötig wäre und b) mir die Art der Autoren damit umzugehen sehr gefallen hat: "Wir haben ein Gerät das diese Dinge ermöglicht: Einen Heisenbergkompensator!" eine sehr schöne Möglichkeit den Fans klar zumachen dass es sich trotz allem nur um Fiktion handelt und man nicht alles auf die Goldwaage legen sollte)
Für die Zweite Variante Beispiele zu finden ist wohl der einfachste Teil dieses Artikels. Wir alle kennen Filme in denen Laser mit lautem Zischen durch den (luftleeren!) Weltraum gefeuert werden oder Raumschiffinsassen trotz angeblich vorhandener Beschleunigungskompensation bei dem leichtesten Angriff durch die Gegend geworfen werden.
Diese Fehler finde ich besonders ärgerlich da sie als einzige bewusst gemacht werden UND die Geschichte nicht voran bringen. Man kann sie meiner Meinung nach damit vergleichen dass ein Koch eine schon bis zur Schmerzgrenze gesalzene Mahlzeit noch mit besonders hübschen Salzkristallen dekorieren will. Es mag am Ende schöner aussehen, aber essbarer wird es dadurch nicht!

Sollte sich wirklich jemand den Aufwand zugemutet haben diesen endlosen Rant durchzulesen freue ich mich natürlich wie immer über Meinungen und Kommentare.
(In diesem speziellen Fall wäre es schon interessant zu erfahren ob das überhaupt jemand auf sich nehmen wollte.)

BTW: ein netter Vortrag zum Thema SF von Neal Stephenson, mit Ausflügen zur Erklärung warum Geeks so handeln wie sie es tun. (via Fefe)

Importierte/Alte Kommentare:

#333: 13.Jul.2008 08:07 von striker

Mich würde noch ein "gutes Beispiel" für die vierte Art Fehler interessieren. Ich glaube, da fehlt noch was ;)

Btw interessanter Artikel. Wirklich :)

#334: 13.Jul.2008 08:07 von Dr. Azrael Tod

Awww.. fuck!
Das hat man davon wenn man ewiglange Sachen über mehrere Tage hinweg schreibt. :-/

#335: 14.Jul.2008 09:07 von Friedenspanzer

Bei SciFi versuche ich immer so lange zu erklären ohne Ahnung zu haben bis der Leser selbst nicht mehr weiß, ob er Ahnung hat.

Es ist doch völlig egal, ob etwas wissenschaftlich korrekt ist, so lange es plausibel klingt. Aber ich muss zugeben dass ich bei den Lasergeräuschen in Weltraumschlachten auch immer grinsen muss.

#336: 14.Jul.2008 02:07 von seufz

und ich muss zugeben das mich genau aus diesen Gründen SciFi so garnicht intressiert. :)

#337: 14.Jul.2008 03:07 von Dr. Azrael Tod

Naja, Genres sind nunmal Geschmackssache... ich persönlich finde dafür z.B. Krimi oder so meist nicht so berauschend.
(Wobei ich eigentlich schon fast eine Ausnahme bin, da ich so ziemlich alles lese was irgendwo rumliegt.)

#338: 16.Jul.2008 09:07 von Oliver

Ich denke hier treffen wir auf ein gutes Beispiel von Wildern in fremden Gefilden. Star Wars beispielsweise ist kein SF, es nimmt Kompotenten des Märchens, vermengt diese mit einem gewaltigen Schuß Fantasie und packt ein paar Fragmente SF dabei. Fertig ist irgendetwas nur kein SF a la I Robot und damit meine ich keinesfalls den Film. Genres sind immer irgendwie grenzwertig zu betrachten, zu schnell endet man in Dogmatik. Andererseits existieren eben markante Beispiele wie Alien, Star Wars etc. die alles andere sind als science fiction.

#339: 16.Jul.2008 01:07 von fwolf

in diesem Sinne: lies mal Bücher von Michael McCollumn - Beziehungsgeschichten sind eher mau, aber der Weltraumkampf ist ultra-realistisch gehalten.

Ansonsten halte ich mich an Iain M. Banks und Ben Bova -von wegen "Hardcore-SF" ;)

cu, w0lf.

#340: 16.Jul.2008 02:07 von Dr. Azrael Tod

@oliver klar verschwimmen die Grenzen, ich wollte das auch keinenfalls als Dogmatische Sichtweise verstehen und die Genres unbedingt voneinander trennen. Mir ging es eher um die Fehler die bei allen möglichen Filmen/Büchern/usw. vorkommen die sich mit Entwicklungen in der Zukunft oder noch zu entwickelnden Technologien beschäfftigen.

@fwolf werde ich tun wenn ich davon mal irgendwo was finde
Hab mir die Woche mal die Blackcollar-Romane von Timothy Zahn durchgelesen, Teil 1 war wirklich genial, Teil 2 ziemlich gut und in Teil 3 hat man gemerkt dass er nur noch die Serie abschließen wollte. Das Ende ist etwas unbefriedigend.

Geschrieben von Dr. Azrael Tod